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Ausgeblendet

Apokalypse now


Georg E

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Im Vergleich dazu war die Höllenfahrt der Poseidon a gemütliches Runderl auf einem Ringelspiel. Ich kann das sagen, denn ich war ja dabei. Also bei der Vergleichsfahrt.

Die gestaltete sich apokalyptisch, das sage ich euch, wahrlich. Bald nach dem Roppener Tunnel, in welchem sich das Motorrad noch als gut balancierbar erwiesen hatte, sah man nichts mehr, so schwarz wurde es um einen herum. Dagegen war es im Tunnel geradezu gleißend. Und mit dem Balancieren war’s auch vorbei, der Sturm wehte das Motorrad mitsamt mir drauf von einer Autobahnseite auf die andere, da half kein Festklammern am Lenker, nicht einmal Beten half. Und das bei Trockenheit! Kein Tröpfchen, nur Schwärze und Sturm und das Beanspruchen aller verfügbaren Fahrbahnen samt Pannenstreifen.

Weg von der Autobahn, schrie mich der Sturm an, Abfahrt! Mötz als Rettungsanker, man stelle sich vor, MÖTZ als Rettungsanker! Und dann weiter nach Stams, aber da ist er auch schon, der Regen. Was heißt Regen! Die vereinten Wasser dieser Welt sind da, noch ehe ich den Unterstand, vor dem ich das Motorrad abstelle in der Gewissheit, dass es nicht lang stehen wird, sind sie also da, der Unterstand ist eine zur Hälfte überdachte Bar-Terrasse, von der die Insassen ins Lokalinnere flüchten, als die ersten Bäume an der Glasveranda vorbeifliegen und die ersten Kühe und bald die letzten Dächer. Als dann auch noch der zerrissene Vorhang des Tempels – es war knapp nach drei am Nachmittag – dahergeflogen kam, wusste ich: Was ich erlebe, hat biblische Ausmaße.

Eine knappe Stunde dauerte der Weltuntergang, dann ließ er nach. Der Regen. Ich fand mein Motorrad auf dem Seitenständer stehend vor, war mir aber sicher, dass es in der Zwischenzeit viel herumgeflogen sein musste und eher aus Zufall wieder hier gelandet war. Denn normal war das nicht. Es ließ sich sogar starten und ich fand mich rasch zurecht, es war nichts verbogen, die Landung musste also sanft gewesen sein – ein Wunder in diesem Drama. Den gleich auf mich zukommenden Kreisverkehr nahm ich routiniert, gleichwohl vorsichtig, stand das Wasser doch sicher knöcheltief überall herum.

Weit kam ich nicht, die Feuerwehr blockierte die Landstraße, der Blick über die Feuerwehr hinaus verhieß nichts wirklich Gutes. Um die Leserschaft zu schonen, verschweig ich es lieber. Jedenfalls musste ich also zurück nach, jawohl, Mötz, dem vormaligen Rettungsanker, der mir den Weg auf die Autobahn wies. Während auf dieser die Gegenfahrbahn bereits gesperrt zu sein schien – es gab nur manchmaliges Blaulicht und bald eine stehende Kolonne, führte mich mein Heimweg über eine Allee von auf die Fahrbahn gestürzten Bäumen. Ich war mir gewiss, dass ich der Letzte war, der hier durchkam.

Der Regen nahm zu, der Wind auch wieder, was über der Blockadefeuerwehr zu sehen gewesen war, nahm unmittelbare Gestalt an. Und durch das Rauschen im Helm hindurch hörte ich Sirenen.

Es war bei jeder Ausfahrt die Frage: abfahren oder bleiben? Wann würde ich in die nächste Blockade hineinfahren, oder würde ich das eher auf der Landstraße tun? Ich blieb, entschlussfreudig, wie ich bin.

In Innsbruck lagen dann die Dächer vom Oberland herum.

 

Gruß

Georg, Überlebender

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Der Klimawandel beschert uns schon Wetterereignisse in Europa wie die Tornados in den weiten Ebenen der USA. 
Gut, dass Du da noch unbeschadet rausgekommen bist, Georg! 
Gruß

Wilfried

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